Haushaltsrede 2026 von Iris Förster

Portrait von Iris Förster
Iris Förster

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Wolf,

sehr geehrte Herren Erster Bürgermeister Schäfer und Baubürgermeister Schienmann,

liebe Kolleginnen und Kollegen,

liebe Anwesende

rien ne va plus – das könnte man meinen, wenn man sich die Finanzsituation der Stadt Waiblingen anschaut. Aber in so düsteren Farben will ich nicht malen. Die Spielräume für kommunales Handeln schwinden zwar angesichts der zunehmenden Pflichtaufgaben – die wahrlich nicht immer auskömmlich gegenfinanziert werden. Da sind wir uns einig. Jedoch unsere Handlungsspielräume dürfen wir nicht ausschließlich im finanziellen Bereich sehen. Wir haben auch: kreative Ideen, die wenig kosten, Ehrenamt, das eine Stadt am Laufen hält, Fördertöpfe die bereit gestellt und oft nicht ausgeschöpft werden und Nachbargemeinden, die vor ähnlichen Problemen stehen wie wir und mit denen man sich zusammentun kann.

Viele Aspekte könnte man anführen – sieben haben ich mir vorgenommen:

1. Unser Dauerthema Mobilität, bei dem wir seit Jahren nicht vorankommen. Ein Schritt vor – zwei Schritte zurück. Ich denke an die Korber Straße, an die Fronackerstraße, die Stuttgarter Straße, die Schmidener Straße und die Talstraße. Für mein Empfinden haben wir inzwischen mehr Geld für Planungen als für die Umsetzung ausgegeben … Auch beim Radverkehr treten wir viel zu oft auf der Stelle. Zugegeben: das Eschentriebsterben und das Hochwasser haben uns beim Remstalradweg einen dicken Strich durch die Rechnung gemacht. Aber andere Maßnahmen wie Radabstellanlagen an den Schulen, wie sichere Radwege entlang verkehrsreicher Straßen, der Umgestaltung der Stuttgarter Straße, der Blumenstraße als Fahrradstraße – da brauchen wir mehr Tempo. Übrigens: Tempo 30 anzuordnen ist mit der neuen Straßenverkehrsordnung wesentlich einfacher geworden. Wir sollten einen Blick auf die Flickenteppiche z. B. in Neustadt und in der Bahnhofstraße werfen und dort konsequent Tempo 30 umsetzen. Stetiger und fließender Verkehr ist sicherer und umweltfreundlicher als ständige Brems- und Beschleunigungsvorgänge.

Weil es sowieso Pflichtaufgabe ist und bisher nicht erledigt wurde, hat unsere Fraktion den Antrag gestellt, dass Radschulwegpläne für alle weiterführenden Schulen in Waiblingen erstellt werden. Außerdem beantragen wir einen Zuschuss, um in Hohenacker einen Standort für Carsharing zu ermöglichen. Denn Carsharing ist nicht nur für die Nutzer von Vorteil, auch die Stadt profitiert davon durch weniger parkende Autos am Straßenrand und weniger Autofahrten insgesamt, also weniger Verkehr.

2. Die Digitalisierung brennt uns allen auf den Nägeln. Die Möglichkeiten werden in den schönsten Farben gemalt, in der Realität liegt die Waiblingen an vielen Stellen dennoch weit zurück. Wünschenswert ist z.B. ein digitaler Sitzungsplan mit Abolink. Dann müssten nicht 32 Menschen die 123 Termine in ihre digitalen Kalender übertragen.

Wir sehen ein Bemühen um zunehmende Digitalisierung in den Verwaltungsvorgängen. Ausdrücklich begrüßen wir die Implantierung eines Prozessmanagements in den Verwaltungsabläufen. Nicht zuletzt für die Begleitung der Haushaltsanträge hatten wir wiederholt darauf hingewiesen, dass wir ein Prozessmanagement für sinnvoll erachten. Denn es sollte nicht Aufgabe der Gemeinderäte sein, nachzuprüfen, ob und wie die verabschiedeten Anträge umgesetzt werden. Auch die antragstellenden Personen sollten über die Behandlung ihrer Anträge auf dem Laufenden gehalten werden. Das ist dieses Jahr erstmals in Bezug auf einen nachträglich verworfenen Antrag von ProVelo auf Anbringung eines Spiegels geschehen. An dieser Stelle ein ausdrückliches Lob für dieses Vorgehen!

3. Über Steuereinnahmen haben wir uns bei den letzten Haushaltsdebatten die Köpfe heiß geredet. Die einen meinen, wir haben kein Einnahmen-, sondern ein Ausgabenproblem – offensichtlich ist es aber so, dass wir die Ausgaben in vielen Bereichen nicht senken können – also haben wir ein Einnahmenproblem. Und angesichts sinkender Gewerbesteuereinnahmen sollten wir andere Einnahmequellen in den Fokus nehmen. Leider hat der Antrag für die Einführung einer Verpackungssteuer keine Mehrheit gefunden. So geben wir weiterhin viel Geld aus für die Beseitigung von Pizzakartons, Einweg-Getränkebehältern und der Restbestandteile samt Umverpackungen der Happy Meals und Royal King Menüs, die im Drive-in-Modus gekauft und im Throw-out-Modus entsorgt werden, anstatt die Verursacher an den Kosten für den Müll zu beteiligen. Begründet wird die Ablehnung mit Bürokratie und dem Schutz der Verbraucher. Ich sehe nur Privatisierung der Gewinne und Sozialisierung der Kosten.

4. In Sachen Tierschutz kommen wir nicht richtig weiter. Vergeblich hatten wir eine Katzenschutzverordnung für Waiblingen beantragt. Derweil vermehren sich die wildlebenden Katzen auf Waiblinger Gemarkung schneller, als wir „Miau“ sagen können. Deshalb bringt unsere Fraktion im nächsten Jahr das Thema mit einem weiteren Antrag erneut auf den Tisch.

Ein Tierheim für Waiblingen steht schon lange auf der Wunschliste. Mit Tierschutzverein und Verwaltung wurden einige Gespräche geführt – wir hofften lange Zeit, dass sich hier bald eine Lösung auftue, aber das Ehrenamt ist – damit steht dieser Verein nicht allein da – aufgrund der Alters- und Vereinsstruktur offenbar langfristig und dauerhaft mit der Fundtierversorgung überfordert. Die weiteren Entwicklungen werden uns in nächster Zeit sicher noch beschäftigen.

5. Das Thema Umwelt und Klima ist trotz spürbarer Folgen durch Hitzesommer, Trockenzeiten und Starkregen der Verlierer in der öffentlichen Wahrnehmung. Der Ausschuss für Klima und Umweltschutz tagte in diesem Jahr bisher nur vier Mal – im Dezember zum fünften Mal. Dabei gäbe es viele wichtige Themen: Wärmeversorgung, Gasausstiegsstrategie, weitere Maßnahmenpakete zum Klimaschutzhandlungskonzept, Beteiligung an der Energiewende durch Bürgerenergiegenossenschaften, Biotopvernetzung, Streuobststrategien und vieles mehr. Wollen wir wirklich warten, bis der Klimawandel persönlich eine Dringlichkeitssitzung beantragt?

Wir haben einen Antrag auf Erweiterung des Förderprogramms für Streuobstbäume auf Stadtbäume in Privatgärten gestellt. 5.000 €, die einem besseren Klima direkt zugute kommen.

Um Klimaschutz geht es auch in unserem Antrag auf Verstetigung der Begrünung und Verkehrslenkung auf dem Eva Mayr-Stihl-Platz. Die aktuelle Pop-up-Maßnahme mit Stadtmöblierung hat schon sehr gute Ergebnisse erzielt. Wir meinen: Da geht noch mehr. Außerdem möchten wir mit Pop-Up-Maßnahmen den Alten Postplatz attraktiver gestalten und an die Klimaveränderung anpassen. Dazu beantragt unsere Fraktion zusammen mit den Freien Wählern, der SPD und der Ali Mittel für kurzfristige Maßnahmen. Die Idee ist in Mayenne entstanden.

6. Das Thema Wohnraum hat uns im vergangenen Jahr sehr beschäftigt. Ernüchternd war vor allem die Antwort auf unsere Frage nach dem Zustand der städtischen Wohnungen. Viele sind in einem sanierungsbedürftigen Zustand, können nicht vermietet werden – einige müssen abgerissen und neu gebaut werden. Wir haben doch eine eigene Wohnungsgesellschaft mit Expertise! Aber ach, sie sind nicht zuständig, weil ein Teil der Wohnungen gar nicht in ihrem Bestand ist. Das ist so, als hätte man einen Spitzenkoch, aber die Küche ist im Nachbarhaus! Gut, dass sich die Haushaltsstruktur-Kommission dieses Themas annehmen wird.

Es ist ja so verführerisch, immer neue Wohngebiete in Angriff zu nehmen, statt den Bestand zu pflegen – Neubau glänzt, Altbau kostet, mag manch einer denken. Aber diese kurzsichtige Politik, ist langfristig teurer als jede Sanierung und passt zudem gar nicht zur viel zitierten Mentalität der schwäbischen Häuslebauer, die ihr Erbe zu schätzen wissen! Goethe hat das in schöne Worte gefasst:

Was du ererbt von deinen Vätern hast,

Erwirb es, um es zu besitzen.

Was man nicht nützt, ist eine schwere Last,

Nur was der Augenblick erschafft, das kann er nützen.

Es gibt viele clevere Ideen, Wohnraum zu schaffen, ohne weitere Flächen für immer der landwirtschaftlichen Nutzung zu entziehen:

Ein Landesförderprogramm zur Unterstützung von Umbauberatung mit dem Ziel Wohnraum zu gewinnen – die Stadt Weinstadt macht vor, wie es geht.

Die Caritas, die als Mieterin für Wohnraum an Bedürftige vermittelt – ohne Risiko für die Vermieter. Die Stadt hat diesen Ansatz auch versucht – tut sie es noch? Warum weiß kaum einer davon?

Die Tübinger Nestbau AG – die mit seniorengerechten Mehrfamilienhäusern Platz für Familien schafft, weil die Senioren gerne in eine barrierefreie Wohnung umziehen! Ein Konzept, auf das man auch beim IBA-Projekt auf der Korber Höhe vertraut hat. Recherchieren Sie mal im Internet unter dem Stichwort „Pfrondorfer Neschtle“. Das ist keine Tierdoku, das ist ein überregionales Modellprojekt.

Zusammen mit der SPD und der Ali haben wir einen Antrag auf einen Wohnraumgipfel 2026 gestellt. Hier sollen unter anderem Möglichkeiten zur Gewinnung von bezahlbarem Wohnraum ausgelotet werden.

Das Nachhaltigkeitsdreieck: ökonomisch – ökologisch – sozial

7. A propos Soziales: Wir geben enorme Summen für Kinderbetreuung und für unsere Schulen aus. Das ist richtig und wichtig. Dass die schon fertig geplante Sanierung der Staufer-Gemeinschaftsschule angesichts der desaströsen Finanzlage im letzten Jahr verschoben wurde und in 2026 in homöopathischen Dosen und zunächst ohne sichtbare Auswirkungen angegangen wird, tut mir in der Seele weh.

Bei der Schulbereisung im Sommer konnten wir uns in drei Schulen ein Bild vom Zustand der Einrichtungen machen. Es ist nicht alles schlecht – aber wenn es in den Schulen reinregnet, wenn die Jalousien nicht mehr funktionieren, die Heizung nicht mehr regelbar ist und die Fenster zugeschraubt werden müssen, damit sie beim Öffnen nicht aus dem Rahmen fallen – dann läuft etwas grundsätzlich schief. Die notwendigen Sanierungen wurden leider über Jahre auf Kosten der heutigen Schülergeneration verschleppt.

Die Schule prägt uns, sie ist der Ort, an dem wir lernen, lachen und leben. Als Stadt und als Gemeinderat haben wir die Verantwortung, für eine angemessene Lernumgebung zu sorgen. Wir sollten daher den Sanierungsstau schnellstmöglich abbauen. Die hohen Schulden rauben zwar manch einem die Nachtruhe, aber eine durch marode Schulen desillusionierte Generation Jugendlicher kostet uns am Ende ein Vielfaches.

Was für den Wohnungsbau gilt, gilt auch für unsere Schulen: Wir haben Werte geschaffen! Diese Werte gilt es, durch rechtzeitige Sanierung und regelmäßige Renovierung zu erhalten. Das ist, wie mit dem Auto regelmäßig zur Inspektion zu fahren. Energetische Sanierung ist dazu noch ein wertvoller Beitrag zum Klimaschutz. In diesem Sinne setzen wir uns als Fraktion im Gemeinderat dafür ein, Werte zu bewahren und zu erhalten. Ökonomisch, ökologisch und sozial.

Zum Schluss: Ein großes Dankeschön an unsere Verwaltung für die vertrauensvolle und zielführende Zusammenarbeit. Und Ihnen, liebe Zuhörerinnen und Zuhörer: Herzlichen Dank für Ihre Geduld und Aufmerksamkeit. Und weil es so passend ist, hat noch einmal Johann Wolfgang von Goethe das Wort:

Der Worte sind genug gewechselt,

Laßt mich auch endlich Taten sehn!

Indes ihr Komplimente drechselt,

Kann etwas Nützliches geschehn.

Und ein paar Zeilen weiter heißt es:

Was heute nicht geschieht, ist Morgen nicht getan,

Und keinen Tag soll man verpassen,

Das Mögliche soll der Entschluss

Beherzt sogleich beim Schopfe fassen.

Wohlan!