Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Wolf,
sehr geehrter Herr Schäfer,
sehr geehrter Herr Schienmann,
liebe Kolleginnen und Kollegen, verehrte Bürgerinnen und Bürger,
heute diskutieren wir den Haushalt unserer Stadt. Dabei geht es nicht nur um Zahlen, sondern um die Frage, wie wir in Zeiten knapper Kassen unsere Zukunft gestalten wollen. Eine Zukunft in der Waiblingen nach wie vor lebens- und liebenswert, aber auch nachhaltiger, widerstandsfähiger und gerechter sein soll.
Wie es um den Waiblinger Haushalt steht, wurde uns in der letzten Gemeinderatssitzung ausführlich erörtert. Ich möchte Sie daher nicht mit einer Wiederholung dieser Zahlen langweilen. Es reicht zu sagen: „Nicht gut!“.
Die anstehende Erhöhung der Kreisumlage, niedrigere Zuweisungen des Landes, die Zunahme kommunaler Aufgaben und eine oft unzureichende Ausstattung mit finanziellen Mitteln, schränken uns in unseren Gestaltungsmöglichkeiten für das kommende Jahr massiv ein.
A. Klimawandel
Gleichwohl verrate ich Ihnen kein Geheimnis, wenn ich sage: „Dem Klimawandel ist unser Haushalt vollkommen egal!“ Der Klimawandel ist weder das Problem grüner Zusammenschlüsse noch eine Ideologie. Er ist vielmehr eine der größten Herausforderungen unserer Zeit, und auch Waiblingen bleibt nicht verschont: von Hitzewellen über Trockenheit bis hin zu Starkregen und Hochwasser. Besonders Letzteres haben wir in diesem Jahr in unserer Region schmerzhaft erleben müssen. Und das war kein Einzelfall. Uns muss klar sein, dass die menschengemachte Erderwärmung dazu führt, dass die Stärke und Wahrscheinlichkeit derartiger Ereignisse deutlich zunimmt.
Auch wenn unser Anteil am globalen CO2-Ausstoß gering erscheinen mag, ist unser CO2-Fußabdruck doppelt so hoch wie der weltweite Durchschnitt. Historisch betrachtet sind wir der 5. größte Treibhausgasemittent, nach den USA, China, Russland und Indien.
Unter Zugrundelegung des weltweit verbleibenden CO2-Budgets für die Einhaltung des 1,5-Grad-Ziels hat der Sachverständigenrat für Umweltfragen den fairen Anteil Deutschlands an dem verbleibenden Restbudget berechnet. Dieses faire CO2-Budget war bereits Anfang 2023 überschritten.
Das Bundesverfassungsgericht hat deshalb auch klargestellt, dass sich der Staat seiner Verantwortung nicht durch den Hinweis auf die Treibhausgasemissionen in anderen Staaten entziehen kann, und das sollten wir auch nicht.
Mit dem Gemeinderatsbeschluss vom 21. Oktober 2021 hat sich Waiblingen dazu entschlossen, diese Herausforderung anzunehmen und bis 2035 klimaneutral zu sein.
Ja, das ist ein ambitioniertes Ziel und wenn wir es erreichen wollen, verbleiben uns nur noch 10 Jahre. Das bedeutet, wenn sich die Legislaturperiode dieses Gemeinderats dem Ende neigt, haben wir entweder die erforderlichen Weichen gestellt oder unser Ziel verfehlt.
Der seitens der Stadt vorgelegte Klimaaktionsplan ist der erste Baustein auf dem Weg zur Klimaneutralität. Doch ich hoffe wir sind uns einig, ein Plan allein reicht nicht. Wir müssen diesen Plan mit Leben füllen und mit Mut und Entschlossenheit umsetzen.
I. Erneuerbare Energien
1. Strom
Hierfür sind noch mehr Photovoltaikanlagen auf Waiblinger Dächern, Parkplätzen und Freiflächen erforderlich. Jede Kilowattstunde erneuerbare Energie ist ein wichtiger Beitrag zur Energiewende.
Mit Blick auf die Haushaltslage haben wir auf die Stellung eines Haushaltsantrags zum Ausbau weiterer PV-Flächen verzichtet.
Gleichzeitig erwarten wir, dass die Stadt Waiblingen das kommende Jahr nutzt, um mit den Waiblinger Landwirten Gespräche aufzunehmen, inwiefern die Bereitschaft zum Ausbau von Agri-PV-Anlagen besteht und welche rechtlichen Rahmenbedingung hierfür erfüllt sein müssen. Denn Agri-PV-Anlagen schaffen zusätzliche Einnahmequellen für Landwirte, erhalten fruchtbaren Ackerboden und schützen vor Hagel-, Dürre- und Frostschäden.
Ebenso brauchen wir Windkraftanlagen, die auch im Herbst und Winter Strom erzeugen. Es ist an der Zeit, sich ehrlich zu machen. Wollen wir eine Windkraftanlage auf der Buocher Höhe? Wenn ja, dann sollten wir nicht darauf warten, ob die Buocher Höhe ein Vorranggebiet wird.
- Wir werden daher die Einholung eines Gutachtens zu den Erfolgsaussichten eines Zielabweichungsverfahrens beantragen.
- Sollte die Mehrheit des Gemeinderats dies nicht wünschen, gilt es, in Windparks außerhalb unserer Gemarkung zu investieren.
Aus unserer Sicht ist es vernünftig, möglichst viel eigene Energie zu erzeugen, damit die Wertschöpfung vor Ort stattfindet.
2. Wärme
Ein weiterer wichtiger Baustein auf dem Weg zur klimaneutralen Stadt ist die Wärmeplanung. Auch hier liegt mittlerweile ein, zumindest in der Theorie, ambitionierter Wärmeplan vor. Ein Blick darauf, dass in Waiblingen noch fast ausschließlich mit fossilen Energieträgern geheizt wird zeigt, dass wir auch diese Aufgabe beherzt angehen müssen. Gerade deshalb brauchen die Menschen dringend Gewissheit darüber, wo Fern- und Nahwärmenetze errichtet werden und wo individuelle Lösungen gefragt sind. Eine verlässliche Planung sichert das Vertrauen in unsere Stadt und das ist wichtiger denn je.
3. Infrastruktur
Dies alles setzt voraus, dass die Stadtwerke Waiblingen Haupttreiber der Energie- und Wärmewende werden. Denn ohne sie, wird es nicht funktionieren. Das Spannungsfeld zwischen Gewinnorientierung und Gemeinwohl darf nicht dazu führen, dass wie es versäumen, ausreichend in den Ausbau der erforderlichen Infrastruktur zu investieren. Es ist die ureigene Aufgabe des Staates, eine funktionierende Infrastruktur zur Verfügung zu stellen. Denn nur dadurch ermöglichen wir es den Bürgerinnen und Bürgern, ihren Beitrag zu einer klimaneutralen Stadt zu leisten.
II. Sanierung
Dennoch wird die Wärmewende nur funktionieren, wenn der Wärmeenergiebedarf der Gebäude gesenkt wird. Wenn man sich vor Augen führt, dass in Waiblingen rund 60 Prozent der Wohngebäude vor 1979 und damit ohne verpflichtende Energiestandards erbaut wurden, wird schnell klar, dass hier eine Herkulesaufgabe vor uns liegt.
Deshalb muss die Sanierungsquote in Waiblingen steigen. Auch wenn die kommunalen Liegenschaften nur für 1 Prozent der Treibhausgasemissionen verantwortlich sind, sollte die Stadt ihrer Vorbildfunktion gerecht werden und zum einen die Sanierung öffentlicher Gebäude vorantreiben und zum anderen soweit möglich auf CO2-sparende Baustoffe setzen.
Das erfordert Mittel, die wir im Haushalt prioritär bereitstellen müssten. Schulen und Kitas brauchen moderne Gebäude. Deshalb bedauern wir es, dass hier keine neuen Impulse gesetzt und bereits geplante Maßnahmen verschoben werden.
III. Verkehrswende – Mobilität neu denken nachhaltig und zukunftsorientiert
Ein weiterer zentraler Baustein der Klimaneutralität ist die Verkehrswende. Dabei geht es nicht nur um Klimaschutz, sondern auch um Lebensqualität: weniger Lärm, bessere Luft, sichere Straßen für alle.
Die Verkehrswende ist eines der zentralen Themen unserer Zeit, und sie erfordert eine Infrastruktur, die allen gerecht wird:
- Gerade Fußgängerinnen und Fußgänger sind im Straßenverkehr besonders gefährdet. Dies gilt vor allem für unsere Kinder. Durch die Zunahme von Elterntaxis kommt es vor Waiblinger Schulen immer wieder zu gefährlichen Situationen.
- Wir beantragen deshalb die Schaffung eines direkten Zugangs von der Heinrich-Küderli-Straße kommend auf Höhe der Hausnummer 34 zum Staufer-Schulzentrum.
- Des Weiteren beantragen wir, entsprechende Planungsmittel für die Umgestaltung des Danziger Platzes bereitzustellen. Dieser gibt nicht nur ein trauriges Bild ab, sondern wird auch den Anforderungen an einen sicheren Schulweg nicht gerecht.
- Damit die Verkehrswende gelingt, brauchen wir ein durchgängiges Radwegenetz, das sicher, komfortabel und schnell ist. Das Fahrrad muss eine echte Alternative zum Auto werden. Aufgrund der hohen Förderquoten, mit bis zu 90 Prozent, ist das auch in Zeiten knapper Kassen möglich.
- Deshalb beantragen wir, den Fahrradweg von Rommelshausen nach Waiblingen zu verlängern und an die Stuttgarter Straße anzubinden.
Darüber hinaus sind Geschwindigkeitsbegrenzungen sowohl innerorts als auch außerorts ein wirksames und kostengünstiges Mittel zur Reduzierung von CO2 und Feinstaubbelastungen.
- Wir fordern die Stadt Waiblingen daher auf, sich für eine Herabsetzung der Geschwindigkeiten auf den uns umgebenden Bundesstraßen starkzumachen.
- Des Weiteren ist im Zuge der Verkehrsplanung für das Jahr 2025 zu prüfen, inwiefern Geschwindigkeitsbegrenzungen auf Tempo 40 und 30, auch aus Lärmschutzgründen, in Betracht kommen. Ebenso wie die Ausweisung weiterer verkehrsberuhigter Zonen. Es kann nicht sein, dass man sich die Errichtung von Gehwegen in den Neubaugebieten, bspw. Galgenberg II, spart und dann keine Schutzmaßnahmen für spielende Kinder ergreift.
IV. Vorsorge
Ungeachtet aller Absichtserklärungen zur Eindämmung der Erderwärmung, wird das Jahr 2024 wohl das erste Jahr sein, in dem wir weltweit über der 1,5 Grad – Marke liegen. Umso wichtiger ist es, Schutzmaßnahmen zu ergreifen, vor Hitze und vor Unwettern.
1. Schwammstadt
Zum Schutz vor Starkregenereignissen müssen wir das Konzept einer Schwammstadt erarbeiten und umsetzen.
- Flächenentsiegelung und die Schaffung neuer Grünflächen helfen uns, Regenwasser aufzunehmen, statt es möglichst schnell abzuleiten. Gleichzeitig können wir durch das Anlegen weiterer Blühstreifen einen Beitrag zur Biodiversität leisten.
- Gründächer und Regenwasserspeicher sorgen dafür, dass Wasser lokal genutzt und gespeichert wird.
- Es gilt in den Remsauen Retentionsflächen zu schaffen und zu erhalten. Aber auch alles dafür zu tun, dass Rems und Zipfelbach renaturiert werden. Wir müssen dem Wasser Raum geben, bevor es Schaden anrichtet.
Ja, auch diese Maßnahmen werden viel Geld kosten, deshalb ist es umso wichtiger, dass wir zukünftig bei jeder anstehenden Baumaßnahme, die Konzeption einer Schwammstadt mitdenken und mitplanen. Hierzu gehört auch, dass wir wasserdurchlässige Pflastersteine verwenden. Diese mögen in der Anschaffung erstmal teurer sein. Aber sollten wir diese Schutzmaßnahmen nicht ergreifen, so werden die Folgekosten deutlich höher sein.
2. Hitzeschutz
Auch das Thema Hitzeschutz wird immer dringlicher.
- Wir brauchen mehr Trinkbrunnen in Waiblingen, insbesondere an Spielplätzen und hoch frequentierten Örtlichkeiten sollte ein Trinkbrunnen oder zumindest eine Wasserquelle zur Abkühlung vorhanden sein.
- Durch eine ansprechende Begrünung können sowohl Hitzeinseln runtergekühlt als auch die Aufenthaltsqualität gesteigert werden.
- Wir beantragen daher die durchgeführte Begrünung des Rathausplatzes zu verstetigen und für den Eva-Mayr-Stihl-Platz ein vergleichbares Konzept umzusetzen.
B. Naturschutz und Biodiversität – unsere Lebensgrundlagen schützen
Ohne den Schutz unserer Umwelt wird ein wirksamer Klimaschutz nicht gelingen. Waiblingen ist reich an Natur: unsere Streuobstwiesen, Wälder und Grünflächen sind nicht nur schön, sondern überlebenswichtig – für uns und für künftige Generationen. Doch die Artenvielfalt ist weltweit in Gefahr, auch bei uns.
Was können wir tun?
- Der Schutz unserer Streuobstwiesen muss ganz oben auf der Agenda stehen. Sie sind ein Hotspot der Biodiversität und eine Kulturlandschaft, die wir bewahren müssen.
- Wir setzen uns für mehr Blühflächen im öffentlichen und privaten Raum ein – statt eintöniger Schotterflächen soll Waiblingen blühen.
- Deshalb beantragen wir, dass die Stadt Waiblingen durch beispielhaft angelegte öffentliche Grün- und Blühflächen und mittels eines QR-Codes ein Beratungskonzept für die Bürgerschaft mit Handlungsempfehlungen bereitstellt.
C. Soziale Gerechtigkeit – niemanden zurücklassen
Eine ökologische Transformation wird nur gelingen, wenn alle Menschen mitgenommen werden.
Die Energiewende darf niemanden überfordern. Gerade einkommensschwache Haushalte müssen zielgerichtet unterstützt werden, sei es bei der energetischen Sanierung oder bei steigenden Energiepreisen.
Auch unsere Bildungs- und Sozialinfrastruktur muss mit den Herausforderungen wachsen.
Soziale Einrichtungen, Treffpunkte und Kulturstätten sind das Herzstück unserer Gemeinschaft. Sie fördern den Zusammenhalt und sorgen dafür, dass Menschen am gesellschaftlichen Leben teilhaben können.
Alle Menschen sollten in Waiblingen einen Platz haben.
Die Diskussionen im Waiblinger Gemeinderat vor einigen Wochen haben gezeigt, dass sich Menschen in der Waiblinger Innenstadt zunehmend unsicher fühlen.
Wir nehmen diese Ängste ernst!
- Deshalb beantragen wir die Erarbeitung eines Konzepts zur aufsuchenden Sozialarbeit. Hierdurch soll das Arbeitsfeld der mobilen Jugendarbeit auf alle Altersgruppen erweitert werden. Ziel ist die Entschärfung vorhandener sozialer Konflikte.
- Zusätzlich beantragen wir die Aufstellung einer stabilen Sitzbank im oberen Bereich des Elsbeth-und Hermann-Zeller-Platzes. Zahlreiche Jugendliche nutzen den Treppenbereich als Sitzgelegenheit. Wir wollen vorhandene Konflikte entschärfen, indem wir den Jugendlichen durch die Bank eine Alternative bieten.
Gemeinsam für eine lebenswerte Stadt!
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
wir haben eine große Verantwortung. Der Haushalt ist das zentrale Instrument, mit dem wir unsere Prioritäten setzen. Wir „Bündnis 90/Die Grünen, GRÜNT und die Tierschutzpartei wünschen uns eine Stadt, die mutig ist, die sich für Klima-, Natur- und Tierschutz starkmacht, die soziale Gerechtigkeit fördert und die Demokratie stärkt.
Lassen Sie uns gemeinsam den Weg in eine nachhaltige Zukunft gehen – für Waiblingen, für unsere Kinder und auch für uns!
Der Verwaltung danken wir für die gute und vertrauensvolle Zusammenarbeit
und Ihnen, werte Zuhörerinnen und Zuhörer,
danke ich für Ihre Aufmerksamkeit!